Als ernstzunehmende Anlageform sind Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum und Co. auch im Bereich des Erbrechts heute nicht mehr wegzudenken. Aufgrund einiger Besonderheiten lassen sich klassische Strukturen im Erbrecht nicht 1:1 auf diese übertragen. Dadurch ergeben sich viele Fragen. Eine nachlässige Gestaltung kann fatale Konsequenzen haben. Deshalb musst Du auch digitale Werte in Deine Nachfolgeplanung einbeziehen.
In diesem Beitrag erkläre ich Dir die rechtlichen Besonderheiten und Herausforderungen rund um Kryptowährungen im Erbrecht.
Aktueller Stand
Viele Fragen zum Thema Kryptowährungen im Erbrecht sind bis heute nicht abschließend geklärt. Offene Punkte werden manchmal durch neue Gesetze, aber noch häufiger durch Gerichtsentscheidungen beantwortet. Bislang gibt es jedoch kaum Rechtsprechung zum Thema, und auch mit gezielten Anpassungen durch den Gesetzgeber solltest Du nicht rechnen. Daher bleibt nur die Anwendung bestehender Regeln – und das funktioniert überraschend gut.
Digitaler Nachlass
Bereits 2018 stellte der BGH in einer Grundsatzentscheidung klar, dass auch ein digitaler Nachlass vererbt werden kann. In der konkreten Entscheidung ging es zwar um personenbezogene Daten, doch die Grundsätze lassen sich (mit Abweichungen) übertragen. Entscheidend ist der Speicherort: Befinden sich die Daten auf einem Deiner Geräte, gehen sie mit dem Gerät auf Deine Erben über. Liegen sie auf externen Servern (z. B. in der Cloud), treten Deine Erben in das Vertragsverhältnis mit dem Anbieter ein. Das gilt (nach deutschem Recht) auch dann, wenn dessen AGB etwas anderes sagen. Bei Kryptowährungen gibt es allerdings eine Besonderheit.
Kryptowährungen im Erbrecht sind keine Bankguthaben
Kryptowährungen werden anders als Bankguthaben oder Wertpapiere behandelt. Sie sind keine klassischen Vermögensgegenstände im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches. Sie werden nicht bei der Bank gespeichert oder hinterlegt, sondern sind kryptografisch gesicherte Daten, die auf einer dezentralen Blockchain gespeichert sind.
Der Zugriff auf dieses digitale Vermögen ist nur über den sogenannten Private Key möglich – eine Art digitales Passwort. Geht dieser verloren, sind auch die hinterlegten Kryptowährungen verloren. Kein Gericht, kein Dienstleister kann den Schlüssel wiederherstellen.
Trotz dieser Besonderheiten gelten für Kryptowährungen grundsätzlich dieselben Regeln wie für andere Nachlassgegenstände: Sie sind vererblich und Teil der Erbmasse nach § 1922 BGB.
Der Private Key – Zugangsschlüssel oder Sicherheitsrisiko?
Der Private Key ist der wichtigste technische Aspekt beim Thema Kryptowährungen im Erbrecht. Er ist die Voraussetzung für jede Transaktion. Ohne ihn bleibt das Kryptoguthaben zwar sichtbar, ist aber weder für Dich noch für andere nutzbar – auch nicht für Deine rechtmäßigen Erben.
Deshalb solltest Du schon zu Lebzeiten sicherstellen, dass:
- die Existenz Deiner Kryptowerte dokumentiert ist,
- die Speicherorte (z. B. Hardware Wallets, Online-Börsen) bekannt sind,
- der Zugriff durch Dritte geregelt ist – etwa durch eine digitale Vorsorgevollmacht oder ein Testament mit klaren Anweisungen.
Praxisbeispiel: Du sicherst die Private Keys auf einem verschlüsselten USB-Stick, der in einem Bankschließfach liegt. Der Zugriffscode wird in einer notariellen Verfügung geregelt, auf die nur der Testamentsvollstrecker Zugriff hat.
Wallets: Unterschiedliche Speicherformen – unterschiedliche Folgen
Wallets sind digitale Geldbörsen zur Verwaltung von Kryptowährungen. Je nach Typ ergeben sich unterschiedliche rechtliche Folgen:
- Hardware Wallets: Physische Geräte wie USB-Sticks. Sie lassen sich wie andere Gegenstände vererben.
- Software Wallets: Programme auf Computern oder Smartphones. Wichtig ist, dass der Zugang nicht durch Passwörter oder Zwei-Faktor-Authentifizierung blockiert ist.
- Online Wallets: Von Börsen verwaltete Wallets, bei denen der Zugang über Nutzerkonten läuft. Die Rechtslage ist hier schwieriger, weil der Erbe in das Nutzungsverhältnis mit dem Anbieter eintreten muss – was durch AGB oder ausländisches Recht erschwert sein kann. Aus Sicherheitsgründen solltest Du solche Wallets vermeiden. Wird sie gehackt, sind Deine Assets weg.
Hinweis: Die meisten Anbieter verlangen einen Erbnachweis und teils eine gerichtliche Anordnung. Manche schließen den Zugriff Dritter sogar ausdrücklich aus.
Hohes Potenzial zum Missbrauch
Egal welche Wallet Du nutzt – Du solltest Dir bewusst sein, dass derjenige, der den Private Key besitzt, auch die Kontrolle über Deine Kryptowährungen hat. Wähle diese Person mit Bedacht. Anders als bei Bankguthaben gibt es kaum Möglichkeiten, verlorene Kryptos zurückzuholen. Auch wenn Transaktionen auf der Blockchain nachvollziehbar sind – ohne Private Key hast Du keinen Zugriff mehr. Und wer die Wallet kontrolliert, bestimmt über das Vermögen.
Das Missbrauchspotenzial ist enorm – handle entsprechend vorsichtig.
Wie kannst Du Kryptowährungen sinnvoll testamentarisch regeln?
Dein Testament sollte nicht nur klassische Vermögenswerte abdecken. Wenn Du Kryptowährungen besitzt, solltest Du dafür klare Anweisungen formulieren. Mögliche Regelungen:
- Einen digitalen Testamentsvollstrecker benennen, der sich technisch auskennt.
- Einzelne Wallets oder Token als Vermächtnis bestimmten Personen zuweisen.
- Auflagen zur Datenlöschung oder Stilllegung bestimmter Online-Konten.
- Eine Vorsorgeurkunde ergänzen, um auch zu Lebzeiten und nach Deinem Tod Zugriff sicherzustellen.
Tipp aus der Praxis: Dokumentiere Deine Zugänge nicht offen im Testament. Verweise lieber auf verschlüsselte Speicherorte oder vertraue die Daten einer dritten Person an.
Steuerliche Aspekte: Hohe Werte, große Risiken
Auch Kryptowährungen unterliegen der Erbschaftsteuer. Wegen der volatilen Kurse kann es zu erheblichen Wertabweichungen kommen. Der BFH hat Kryptowährungen bereits 2023 als „andere Wirtschaftsgüter“ eingestuft, die der Besteuerung unterliegen (BFH vom 14. Februar 2023, Az. 14 K 1178/20).
Eine erste Orientierung zur steuerlichen Bewertung findest Du im BMF-Schreiben vom 6. März 2025.
Für die Bewertung kann das gleiche Verfahren wie bei klassischen Wertpapieren angewendet werden: Der niedrigste Tageskurs des Todestags darf angesetzt werden (vgl. § 11 Abs. 1 S. 1 BewG).
Unternehmerisches Kryptovermögen: Besondere Pflichten
Hältst Du Kryptowährungen im Rahmen Deiner unternehmerischen Tätigkeit – etwa in der Kapitalrücklage, als Zahlungsmittel oder als Investition –, gelten besondere Anforderungen:
- Kläre im Gesellschaftsvertrag, wie mit Kryptowerten bei Gesellschafterwechseln umzugehen ist.
- Regle die Übertragung im Rahmen Deiner Unternehmensnachfolge.
- Sorge für eine transparente Nachweisführung – am besten über externe Verwahrung oder notarielle Dokumentation.
Hinweis: Auch bei internationaler Strukturierung – z. B. bei tokenisierten Unternehmensanteilen – brauchst Du eine präzise steuer- und erbrechtliche Planung.
Risiken bei einem Vermächtnis mit Kryptowährungen
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Du Kryptowährungen als Vermächtnis weitergeben willst (z. B. als Supervermächtnis).
Zum einen hat der Vermächtnisnehmer keinen direkten Zugriff auf die Wallet – er hat lediglich einen Anspruch gegen den Erben. Fehlen dem Erben jedoch die nötigen Zugangsdaten oder verweigert er die Herausgabe, bleibt das Vermächtnis wirkungslos.
Zum anderen führen ungenaue Angaben im Testament regelmäßig zu Streit: Welche Token sollen vermacht werden? In welcher Menge? Steuerlich kann ein Vermächtnis außerdem ungünstiger sein als eine Erbeinsetzung, da oft geringere Freibeträge gelten.
Beispiel: Du setzt ein Vermächtnis auf 1 Bitcoin zugunsten Deines besten Freundes ein, nennst aber keine Wallet-Adresse oder genaue Bezeichnung. Von Deinen 5 Bitcoins befinden sich 2 auf einer Wallet, deren Private Key verloren ist. Jetzt ist unklar, ob das Vermächtnis noch gilt. Der Erbe muss im Zweifel den Betrag aus dem verbleibenden Vermögen erfüllen.
Mein Tipp: Sei präzise. Nenne konkrete Kryptowährungen, Wallets und Mengen. Und sichere den Zugang über eine vertrauenswürdige Person – z. B. durch einen Testamentsvollstrecker.
Mein Tipp: Durch konkrete Angaben und eine Teilungsanordnung kannst Du Streit unter mehreren Erben vermeiden.
Fazit: Digitale Werte brauchen digitale Vorsorge
Kryptowährungen im Erbrecht sind längst kein Randthema mehr. Sie gehören zu jeder durchdachten Nachlassplanung. Plane frühzeitig und klug – so vermeidest Du Verluste, Streit und unnötige Steuerlast.
Handlungsempfehlung
- Dokumentiere Deine Krypto-Bestände.
- Sichere den Zugang rechtlich und technisch ab.
- Regle Deinen digitalen Nachlass frühzeitig durch Testament und Vollmacht.
- Lass Dich rechtlich und steuerlich beraten.
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